Wer Soziale Arbeit studiert, muss ein mehrmonatiges, studienintegriertes Praktikum machen. Dabei setzt man sich für Menschen ein und erntet Dankbarkeit – schön und gut. Aber wie sieht es mit der Bezahlung aus? Die Mitglieder des Netzwerks Prekäres Praktikum fordern bessere Bedingungen während des Praktikums. Unsere Praktikantin Laura hat darüber mit Netzwerkmitglied Hannes gesprochen.
Hannes, welche schlechten Bedingungen kritisiert ihr denn beim studienintegrierten Praktikum?
Dieses studienintegrierte Praktikum ist ein Vollzeitjob, aber oft nicht oder sehr schlecht bezahlt. Das führt zu einer prekären Lebenssituation der Studierenden: Wenn man nebenbei jobben muss, um den Lebensunterhalt zu verdienen, geht man von der Arbeit zur Arbeit und kommt auf 60 Stunden die Woche. Ich hatte eine Kommilitonin, die regelmäßig Nachtschichten gemacht hat – fünf Monate lang! Das Netzwerk Prekäres Praktikum ist ein offener Zusammenschluss der drei Berliner Hochschulen, an denen man soziale Berufe studieren kann. Beim Netzwerk treffen sich Studierende, setzen sich für ihre Interessen ein und beschäftigen sich ganz besonders mit der Situation des studienintegrierten Praktikums. Gerade planen wir eine Umfrage unter Studierenden dazu.
Du studierst selbst Soziale Arbeit und hast das Praktikum schon hinter dir. Warum engagierst du dich beim Netzwerk Prekäres Praktikum?
Ich selbst habe kein Geld bekommen in meinem Praktikum, bekomme aber BAföG. Es hat gereicht, dass ich mich ernähren und meine Miete bezahlen konnte. Aber es gibt Kommilitonen, die noch Kinder haben, die alleinerziehend sind und die nicht neben dem Praktikum arbeiten können. Für die ist das eine Extrembelastung. Die haben auch keine Zeit, sich politisch dafür einzusetzen, dass sich was verändert. Unbezahlte Praktika sind ein Skandal und da muss etwas unternommen werden!
Nun sind fünf Monate eine überschaubare Zeit, die man finanziell überbrücken könnte…
Es gibt schon Möglichkeiten. Man kann einen Kredit aufnehmen. Der eigentliche Skandal ist aber, dass da eine wertvolle Arbeit gemacht wird. Studierende gehen in Arbeitsfelder, wo sie intensiv mit Menschen arbeiten. Sie lernen dort viel und entwickeln ihre Professionalität weiter. Aber sie leisten auch einen wertvollen Beitrag, der in keiner Weise anerkannt und vergütet wird. Die Wertschätzung sozialer Berufe muss schon in der Ausbildung beginnen. Es kann nicht sein, dass Studierende billige Arbeitskräfte sind oder Arbeitskräfte ersetzen und am Ende noch einen Kredit zurückzahlen müssen. Praktikumsstipendien sind so rar, dass diese Möglichkeit für die meisten Studierenden auch nicht in Frage kommt. Deswegen muss eine grundsätzliche Lösung her.
Es gibt viele Bereiche, in denen es unbezahlte Pflichtpraktika gibt. Warum sollte das in sozialen Berufen anders sein?
Ich finde es spannend, dass es das noch gibt, dass Praktika nicht bezahlt werden. In der Ausbildung vergütet zu werden ist eigentlich etwas ganz Normales. Auch FSJler oder Bundesfreiwilligendienstleistende, die gar nicht ausgebildet sind, bekommen Geld. Dort wird sichergestellt, dass sie leben können. Da ist das Praktikum in sozialen Berufen tatsächlich eine Lücke.
Wieso entscheidet man sich dann nicht gleich gegen einen sozialen Beruf?
Soziale Berufe sind was unglaublich Tolles! Wenn man sich für Menschen interessiert und wenn man sich mit Menschen auseinandersetzt, die ganz anders sind als man selbst. Wenn man sie unterstützen kann, Herausforderungen oder Krisen zu meistern, ist das ein unglaublich genialer Job. Es gehört aber auch viel dazu: an Frustrationstoleranz, an Selbstüberwindung, auch sich selbst und strukturelle Probleme zu hinterfragen. Trotz prekärem Praktikum ist Soziale Arbeit ein außergewöhnlicher Beruf, der mich begeistert.
Ok, das überzeugt. Wie kann ich euch beim Netzwerk Prekäres Praktikum helfen?
Ganz verschiedene Dinge! Hier sind einige Ideen:
- Engagiere Dich in einer unserer AGs (AG Öffentlichkeitsarbeit, AG Lobby, AG Forschung, AG Aktion/Veranstaltung)!
- Wir brauchen immer wieder HelferInnen Konkret: am 10. November brauchen wir 35 Leute, die die Eingabe unserer Umfragedaten unterstützen.
- Schreibe deine Abschlussarbeit zum Thema prekäres Praktikum. Je mehr Argumente, Fakten, Veröffentlichungen zu dem Thema erscheinen, desto stärker wird unsere Position.
- Berichte aus deinem Alltag im Praktikum für unseren Blog. Wir wollen prekären Lebenslagen von Studierenden ein Gesicht und eine Stimme geben.!
- Like bei Facebook die Seite vom Netzwerk Prekäres Praktikum. Zeigt, dass wir viele sind!
- Frag bei der Suche nach Praktika selbstbewusst nach Vergütung!
- Rede über Gehälter in sozialenBerufen.
- Informier und organisiere dich in einer Gewerkschaft und Berufsverband. Wir müssen uns für Anerkennung von sozialen Berufen stark machen.
- Macht bezahlte Praktikumsstellen bekannt! Wir sammeln und veröffentlichen Praktikumsstellen die ihre PraktikantInnen bezahlen auf unserer Homepage.
Vielen Dank, Hannes! Mehr Infos zum Netzwerk Prekäres Praktikum hier. Wenn ihr Soziale Arbeit in Berlin studiert, könnt ihr mitmachen! Wenn ihr woanders studiert, könnt ihr nach diesem Vorbild euer eigenes Netzwerk gründen und dazu gerne Kontakt zum Netzwerk Prekäres Praktikum aufnehmen !
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